Nach einer langen Nacht auf dem Flughafen von Ilheus, die ich dort auch deshalb verbringen musste, weil die Geldautomaten aus unerfindlichen Gründen erst ab 6 Uhr morgens bereit sind, Geld auszuspucken, hatte ich einen neuen Freund gefunden: den Sicherheitsmann dieses winzigen Flughafens, Marcelo, der mir die besten Schlafmöglichkeiten auf dem Flughafen gezeigt hatte und von dem es zwischendurch schien, als hätte er sich auf einem der Stühle niedergelassen, um meinen Schlaf zu bewachen. Aber vielleicht habe ich das auch nur geträumt.

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Jedenfalls hatte ich kurz nach meiner Ankunft am Flughafen noch kurz überlegt, wie es wäre, mich mit dem Sicherheitsmann anzufreunden und fand es lustig, dass es dann so weit kam. Am Morgen brachte er mir Kaffee und lud mich später noch zum Frühstück um die Ecke ein und begleitete mich in die Stadt, um mir zu helfen, ein Café mit W-LAN zu finden, in dem ich arbeiten konnte. Wo er dann geduldig wartete, bis ich mit meiner Arbeit fertig sei, obwohl ich immer wieder andeutete, er solle doch schlafen gehen, wo er doch die ganze Nacht gearbeitet hatte. Wollte er aber nicht, er wollte lieber mit mir Bier trinken gehen (es war nun etwa 8.30h am Morgen). Ich dagegen wollte duschen und deshalb möglichst schnell meine neue Unterkunft aufsuchen. Und das Zentrum von Ilheus, der Geburtsstadt des berühmten Schriftstellers Jorge Amado, ist so klein, dass wir auf der Suche nach dem Café alle Sehenswürdigkeiten der Stadt (die Kirche! Die Jorge Amado Statue! Der Ausblick auf das Meer!) schon passiert hatten.

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An der Schlange am Busbahnhof war schon abzusehen, dass wieder mal viel mehr Menschen in den Bus in Richtung Ponta do Ramo hineinwollten, als er Sitze hatten und so beteiligte ich mich am allgemeinen Sport, erst mal durch die Hintertür mit dem eigenen Gepäck einen Platz zu besetzen, um hinterher ordnungsgemäß am Vordereingang zu bezahlen. Mit Hilfe der gesamten hinteren Hälfte fand ich heraus, wo ich nach etwa einer halben Stunde Fahrt aussteigen musste, und wurde dann nur von einem Ortsansässigen in die falsche Richtung geschickt, so dass ich erst nach zwanzig Minuten durch die winterliche Hitze Bahias Laufens den richtigen Weg fand. Bzw. zurück bei eben jenem Ortsansässigen die Erlaubnis bekam, durch seinen Garten auf das genau dahinter liegende Grundstück zu gehen. Nach zwei Minuten stolperndem Gesprächs in Portugiesisch stellte sich heraus, dass der Hostelbesitzer aus dem Deggenhausertal kam, was praktisch ein Nachbarort meines Kindheitsheimes ist. Noch später stellte er mich als Marketingarbeitskraft, was hieß, dass ich einige Texte für ihn schrieb und dafür umsonst im Paradies wohnen durfte. Und das Paradies begann tatsächlich direkt im Hostel, bzw. handelte es sich eher um ein zukünftiges Luxusresort direkt am Strand, von Kokospalmen bewachsen und menschenleer. Schon nach ungefähr einer halben Stunde am Strand begann ich mich zu fragen, was man denn den ganzen Tag über im Paradies so treiben könnte und mir fiel keine Antwort ein. Ideale Arbeitsvoraussetzungen also.

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Und ich legte mich in die Hängematte und begann zu arbeiten und hob alle paar Minuten den Blick, um mich zu vergewissern, dass das Paradies noch da war. War es. Und so könnte es ewig weitergehen, aber an Tag drei oder so begleitete ich seine kolumbianische Ehefrau in die Stadt, d.h. nach Ilheus, um Geld abzuheben und Cappuccino mit jeder Menge Schokolade darin zu trinken. Und zwei Stunden später oder so, fingen wir an stundenlang durch die Stadt zu fahren, mit einem Freund von Mary, auf der Suche nach dem perfekten Klo für ihr Luxusresort. Zwischendurch gab es mehr Besorgungen zu machen, die Mary mit einem kurzen Anruf regelte, sodass die Freunde, mit was auch immer, an den verschiedenen Ecken standen und die Sachen durchs Autofenster reichten, wenn wir vorbeifuhren. So ein Leben möchte ich auch haben, dachte ich, nur, dass es alles so viel länger dauerte als geplant.

Bisher hatte ich ein ganzes Haus für mich gehabt, aber jetzt zog eine riesige Familie aus Goias in die verschiedenen Häuser ein und ich konnte das erste Mal für meine Amazonas Schifffahrt das in der Hängematteschlafen üben. Und wieder einmal feststellen, wie unglaublich nett die Brasilianer sind. Sie luden mich regelmäßig ein, mit ihnen zu essen, brachten mir Essen vorbei, wenn ich am Tisch saß und arbeiten musste und am Ende sagte Belisa, eine älterere Dame mit der ich mich einige Male in äußerst gebrochenem Portugiesisch unterhalten hatte, dass ich nicht abreisen sollte, weil sie mich vermissen würde, wenn ich weg wäre. Und schlug mir vor einen Mann aus Goias zu heiraten, die wären toll. Allerdings, fiel ihr dann noch ein, seien sie keinesfalls treu, aber das sei auch niemand aus den anderen brasilianischen Bundesstaaten, weshalb es keine Rolle spielen würde…

Bleibt noch die Geschichte, die keine richtige Geschichte ist, vom Dorffest zu erzählen, das ich mit Mary besucht habe. Wo wir um 12 Uhr mittags hingingen und mit dem Bier trinken anfingen. Um Bier ging es, ums Betrunkenwerden wohl auch, aber besonders auch ums Tanzen, was mir ziemlich sexualisiert erschien. Ich habe auch versucht, meinen Hüftschwung auf der Tanzfläche zu verbessern, aber mich beim Anblick von fünfjährigen Kindern, die es perfekt draufhatten, dazu entschlossen, zu meiner deutschen Ungelenkheit zu stehen.

Am allerersten Abend hatte ich eine chilenische Künstlerin, die hier seit etwa einem Jahr wohnte und sich in einen etwa 12 jüngeren Mann verliebt hatte, kennengelernt und mit ihr Catuaba getrunken.

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Nun saßen wir am Rande des Dorffestes und plauderten, als ein junger, hübscher, etwa 18 jähriger schwarzer Mann dazustiess und sie anfing, seltsame Blicke in Richtung ihres Freunds zu werfen. Kurze Zeit später begab ich mich in die gegenüberliegende Bar, weil dort die neuen Freunde von der gestrigen Geburtstagsfeier saßen und trank mehr Bier mit ihnen, während wir meine verlorengegangene Sonnenbrille diskutierten. Nach wenigen Minuten stieß die Chilenin dazu und begann mir „funny times“ mit dem jungen Mann nahezulegen. Er sei interessiert und ich würde doch in wenigen Tagen abreisen und könnte bis dahin tollen Sex genießen ohne umständliche Gefühlsduseleien oder so ähnlich.

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Ich zog die „funny time“ ganz kurz in Erwägung, dachte ein klein wenig länger über weiblichen Sextourismus nach und lief am Strand entlang zu meiner Hängematte zurück, um dort zu arbeiten.

Das Paradies schien mir nun etwas zu verkommen, um wirklich Paradies zu sein und natürlich sah man an allen Ecken und Enden die Armut, die hier herrschte, aber zumindest die Kinder von Ponta da Tulha liefe nicht über die staubigen Sandstraßen, nein: sie hüpften. Immer.