miasudamericana, dez. 2014
Viel ist passiert seit dem letzten Blogeintrag und durchaus nicht auf so schön abenteuerliche Weise wie erhofft.
Nach einigen weiteren Tagen an denen ich versuchte eine gewisse Routine in jene hineinzubringen. Das hieß, morgens Kaffee machen in meiner mitgebrachten Espressokanne, auf der kleinen Toastplatte, wo es 40 Minuten dauerte bis der Kaffee fertig war, aber dafür besser denn je schmeckte, diesen auf der Dachterrasse begleitet von Zigaretten trinken, davor schon etwas Spanisch gelernt habend, danach noch mehr, dann der Weg zur Shelltankstelle für eine Zigarettenlänge Internet und Emails checken, dann u.U. ein längerer Spaziergang, mit anschliessendem Cafébesuch, um dort zu schreiben. Was mal mehr, mal weniger gut klappte.
(Das Schöne ist ja, wenn man in einem Café sitzt, alleine, aber mit mitgebrachten Schreibutensilien, die ein wenig professionell aussehen, da das Tablet immerhin mit externer Tastatur (die ich mit zehn Fingern bediene) versehen ist, muss man sich kein bisschen schämen, wenn man morgens um halb elf schon Wein bestellt und eine Zigarette nach der anderen raucht: es macht einfach Sinn.)
Und die Abende bzw. Spätnachmittage versuchte ich an dem ersten Song meiner neuen Band (es gibt noch immer keinen Namen) weiterzuschreiben, sofern Lu gerade nicht zuhause war.
An anderen Tagen, versuchte ich eine zweite Kopie des Hausschlüssels anfertigen zu lassen, was zwei Tage später auch gelang. Und ging mit Lu und ihrem Vater, in die Geldwechselstube seines Vertrauens (Kindheitsfreund), wo man nur mit Termin und wenn man dem Chef bekannt war hineinkam (mitten im Microcentro, modernes Bürogebäude, Sicherheitskontrolle an der Türe, ich musste im Warteraum bleiben und so tun als sei ich Argentinierin, d.h. nicht sprechen. Als ein junger Mann vorbeikam und mich etwas fragte, das ich nicht verstand, wusste ich auch nicht was tun bzw. entschied mich für einige ausgedachte Zeichen, um auf meine Behinderung hinzuweisen). Ich hatte Lu davon erzählt, dass mit 20er Dollarscheinen, mittlerweile weniger anzufangen ist, als mit höherwertigen, woraufhin sie meinte, man hätte versucht mich reinzulegen. Doch in der Wechselstube, in die ich nicht hineindurfte, erfuhr sie, dass es sich um eine neue Regelung handelte. Ganz normal in Argentinien, dass sich die Regeln so schnell ändern, daher auch eine ausgeprägte Findigkeit im Lösen von Alltagsproblemen (erinnert auch ein wenig an Italien, mit denen sich manche Argentinier auch gerne vergleichen. Sprachlich erkennbar, an der haeufigen Verwendung vom an Adverben angehangten -issimo zur Verstärkung (statt muy rico, sehr lecker, kann man auch sagen ricissimo, z.B..)
Und dann eines Tages, sagte mir Lu, sie gedenke in nur einer Woche nach New York zu fliegen und ich müsse mich nach einer neuen Bleibe umsehen. Reisen macht Sinn dachte es da als Reaktion in mir drin. Und ich begann ein wenig über Bariloche und Córdoba nachzudenken, wobei ich nach angesehenen Fotos, auf denen mich Bariloche zu sehr an die altbekannte Schweiz und an Österreich erinnerte mehr Lust auf Córdoba und dessen Umgebung hatte. Zwei Tage später dann erfuhr ich, dass ich bitte dringend heute noch abreisen sollte, damit sich Lu nicht weiter mit ihren verrückten Onkeln (denen das Haus zusammen mit Lu´s Mutter und diversen anderen Geschwistern gehört) auseinandersetzen müsste, die, obwohl ich sie noch nie zu Gesicht bekommen hatte, unbedingt wollten, dass ich ginge (sie wollten auch den Auszug Lu´s, den aber schon seit Jahren…). Also packte ich meine Sachen und nahm den Nachtbus nach Córdoba. Und anschließend den Bus nach Capilla del Monte, diesen magischen Ort, an dem schon unzählige Ufos gesichtet worden waren.
Am 4.12. um das Ganze historisch gesehen ein wenig besser einzuordnen: erste Kontaktaufnahme mit den Hippies. Man muss allerdings auch sagen, dass sie diejenigen war, die mir das erste freundliche “Hallo” zuwarfen, als ich mich nach meiner Ankunft in Capilla del Monte, in der nächstbesten Bar niedergelassen hatte, um dort eine Fernet Cola zu trinken.
Es trug sich folgendermaßen zu: ich bin früh aufgewacht, voller Tatendrang (eine kleine Übertreibung) und beschloss eine Wanderung an den Fuß des Uritorco, des hießigen, beeindruckenden, von überall sichtbaren Berges, zu unternehmen und in den berühmten Wasserbecken schwimmen zu gehen. Es ist ein langer Weg und war für mich auch nicht so einfach zu finden, weshalb ich mit einigen Menschen ins Gespräch kam. Bzw. vor allem mit einer sehr netten älteren Dame, die die Sträucher rund um die berühmte Kirche Parroquia San Antonio stutzte. Nachdem sie mir den Weg erklärt hatte und mich nach meiner Herkunft gefragt hatte, erzählte sie mir von all ihren italienischen Vorfahren, wobei sie ihr Herkunftsland aufgrund des furchtbaren Pesos+Euro Verhältnisses nur 1996 und 2010 besuchen konnte (die Zahlenwiedergabe an dieser Stelle nur, um darauf hinzuweisen, dass ich sie mittlerweile verstehen kann). Zudem, was auch vorher schon relativ klar war, erzählte sie mir, wie trocken es in der Provinz Córdoba sei und obwohl es dieses Jahr besonders viel geregnet haette, es dennoch unmöglich sei, im Fluss zu schwimmen (wie ich es mir vorgestellt hatte). Dann riet sie mir zu Sonnenhut, Sonnencreme oder besser ganz zu Hause bleiben und wünschte mir viel Glück. Das hatte ich dann auch, denn obwohl es erst 9 Uhr war litt ich schon ein wenig an der Hitze und so freute ich mich als Matias, ein junger, hübscher Automechaniker, den ich auch einst nach dem Weg gefragt hatte, mir hinterherfuhr und anbot mich die vier Kilometer zu fahren. Schmachtende Blicke seinerseits, in mein rotes, verschwitztes Gesicht, und dann, nachdem er mich ein wenig den Flussweg entlang geführt hatte, der Versuch mich zu küssen. Unverrichteter Dinge verabschiedete er sich trotzdem sehr nett und dann kam es zu dem Moment, der auf so spannende Weise, so lange hinausgezögert wurde: ich machte die Bekanntschaft mit den Hippies. Es waren zwei, sofort erkennbar an ihren Rastafrisuren, die gerade dabei waren Feuer am Ufer des Flusses zu machen. Konversationen beginnen hier oft, wie auch in den USA mit Qué tal? bzw. Cómo estás?, womit jegliche Begegnung eingeleitet wird (nach dem Buenas, Hola, usw..). Der eine der beiden Hippies, den ich heute noch ungefähr fünfmal zufällig getroffen habe, meinte an einem wunderschönen Ort wie diesem, könne man ja nur glücklich sein. Eine gute Antwort fand ich und gedachte von nun an die Dinge genauso zu sehen. Es ist aber auch wunderschön hier, gerade wenn man versucht den Fluss aufwärts zu den sieben aufeinanderfolgenden Pools zu klettern. Was ich tat, jedoch ohne zu zählen, und ohne dem einfacheren Wanderweg zu folgen, so dass ich das siebte Schwimmbecken erst einige Tage später mit einem Schriftsteller an meiner Seite erreichen sollte…
Der Hund mit den schönsten Augen von ganz Capilla del Monte (und es gibt unzählige Hunde hier) hat sich in mich verliebt. Wie ich das wissen kann? Ich fühle es einfach. Heute hat er mich entdeckt, mich beschnuppert, und obwohl ich eher versucht habe ihn loszuwerden (seine schönen Augen total ignorierend) als ihn zu streicheln, ist er mir zwei Kilometer weit auf dem Weg nach Los Mogotes gefolgt. Wie auch die weiteren drei Kilometer, die ich mich verlaufen habe. Dann endlich traf ich auf eine ältere kopftuchtragende Frau, auf dieser ansonsten nur von rasenden Autos frequentierten Straße, die allesamt hupten, des Hundes wegen, der sich nicht an die Verkehrsregeln halten wollte.Wie das so ist (hierzulande wollte ich fast schreiben, aber dann fielen mir die intimen Gespräche wieder ein, die ich am Flughafen Frankfurt mit verschiedenen Delta Mitarbeiterinnen diverser Abstammung, u.a. deutsch, geführt hatte): wir kamen ins Gespräch. Sie war eine 52-jährige Tortenbäckerin, die dabei war eine Hochzeit vorzubereiten, vier Kinder hatte, zwei davon erwachsen und auf den Bus wartete, der nicht kam. Sie empfahl mir den Bus zu nehmen, falls doch einer kommen sollte und den Hund, der ja nicht meiner war, zurückzulassen. Wie ich war sie gegen zu grosse Tierliebe und außerdem resolut. Ich zweifelte ein wenig, so etwas wie ein kleines Verantwortungsgefühl hatte sich bemerkbar gemacht. Der Bus kam, hielt jedoch nicht. Dagegen kurze Zeit später und unaufgefordert, das Auto des Ehemannes der Schwester des Bräutigams. Der Hund blieb zurück.
In Los Mogotes war es so schön, dass ich für immer bleiben wollte und nun wusste wie man am besten die heißen Sommertage verbringt: mit Nichtstun im Schatten am Fluss. Besser noch ein Kind zu sein, dann kann man nämlich auch noch darin schwimmen. Was man in Los Mogotes, das übrigens eine ziemlich beeindruckende Schlucht mit riesigen Felsen ist, noch unbedingt machen muss, ist den Weg der Indios zu gehen. Das dauert so etwa 10 Minuten, wobei ich dauernd anhalten musste, um die Schönheit der Natur zu fotografieren. Zum Ende hin, führt der Weg durch einen sehr engen Felsspalt, wo man keine Angst hat irgendwo herunterzufallen, sondern steckenzubleiben.
Zurück nach Capilla del Monte, bzw. zum Hund, mit dem die Geschichte ja schließlich begann. Er war schon da, blieb von nun an bei mir und brachte mich am Ende des Abends (um 3 Uhr morgens) bis zur Hosteltüre. An dieser Stelle ist es vielleicht doch ein bisschen interessanter, warum die Nacht so lange ging. Wie so oft hatte ich alles, was auf Spanisch zu mir gesagt wurde falsch verstanden: nicht gestern, sondern heute war Vollmond. Was ich von meinen neuen Hippiefreunden erfuhr, die kurz nach meinem Zwischenstop im Hostel, an dessen Türe klopften und nach mir fragten, um mich erneut einzuladen, den Abend mit ihnen zu verbringen. Sie wollten zu einem Murga Konzert im Balneario. Und dann fand gar kein Konzert statt, stellten wir fest, nachdem wir uns am Schwimmbecken, dem leeren, eingefunden hatten. Dagegen sahen wir den Vollmond, der langsam hinter dem Uritorco hervorkam, begleitet von einer Trompete, die fast klang wie ein Saxofon. Ale, der ältere der beiden Hippies ging sogleich los, um den Trompetenspieler auf unsere Seite zu holen. Er war in meinem Alter und sympathisch, ließ sich aber irgendwann nicht mehr dazu überreden noch länger zu spielen und verabschiedete sich irgendwann. So auch Ale, der mir zuvor noch ein Armband geschenkt hatte, das in enger Beziehung zu seinem Mundharmonikaspiel stand, denn immer wenn er spielen würde, sollte ich das bemerken (ca. 10 Tage später: leider habe ich es bisher versäumt das Armband zu tragen). Nachdem ich die Einladung an den Fluss, ins Lager der Hippies, wie auch den Kussversuch des zwanzigjährigen Gonzales (der übrigens annahm, ich sei 35) abgewehrt hatte, gedachte ich schlafen zu gehen. Wurde aber auf dem Weg zum Hostel, von dem Trompeter, der sich später als (erfolgreicher) Schriftsteller entpuppen sollte, eingeholt und auf ein Bier in die am längsten aufhabende Bar Capillas eingeladen. Wo es sehr nett war. Nicht nur unseres intellektuell anregenden Gesprächs und des Alkohols wegen, sondern auch aufgrund der Musik, die gespielt wurde und zu der wir später auch ein wenig tanzten. Der Höhepunkt des Abends, an dem ich leider nur als Zuschauerin teilhaben konnte: es wurden traditionelle Lieder gespielt, zu denen sich sogleich jede Menge Paare einfanden, die wussten, wie darauf zu tanzen war. Dies sollte einige Tage später auch in Córdoba passieren, bei den Vorbands zu einem Onda Vaga Konzert, dass ich besuchte…
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